Welche Funktion besitzen die ominösen Tachymeter-Skalen, die auf vielen Uhren auf der Lünette zu finden sind?
Eine Anleitung ist dazu in keinem Rolex-Booklet zu finden. Deshalb soll an dieser Stelle mit Hilfe von Matthias (Prof. Rolex) aus dem R-L-X-Forum, der mir diese Anleitung dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, auf den Grund gegangen werden:
Allgemein wird angenommen, dass es sich bei der Lünette um einen Tachometer handelt, mit dem die Geschwindigkeit eines Autos gemessen werden kann. Dies ist zwar ein möglicher Anwendungsfall, allerdings ist die Messungenauigkeit sehr grob, da die erforderliche Distanz hierzu exakt 1km betragen und die Geschwindigkeit über die Meßzeit konstant sein muss – sicherlich nicht sehr praxisnahe Umgebungsbedingungen für eine solche Messung!
Wie auf der Lünette bereits vermerkt, werden mit der Skala Einheiten pro Stunde (Units per Hour) gemessen. Dies können natürlich die o. g. Kilometer sein, aber auch beliebige andere Größen wie z.B. produzierte Einheiten oder transportierte Personen. Im Prinzip kann alles gemessen werden, was in Einheiten pro Stunde (UPH) angegeben werden kann.
Rolex Cosmograph Daytona 16520
Wie funktioniert also die Skala? Um aus den gemessenen Sekunden für eine Einheit die Einheiten pro Stunde zu errechnen, müssen 3600 Sekunden (=1 Stunde) durch die gemessenen Sekunden dividiert werden. Und genau dieses macht die Skala.
Es wurden 40 Sekunden für eine Einheit gemessen, daraus folgt: U=3600/40=90 Einheiten/Stunde. Die Zahl 90 findet sich entsprechend auf der Lünette bei 40 Sekunden.
Die Skala folgt also der mathematischen Funktion U=3600/x, wobei U die errechneten Einheiten pro Stunde und x die gemessenen Sekunden sind. Mit Hilfe der Tachymeter-Skala muss also nur den Wert auf der Lünette ablesen. Nebenbei bemerkt handelt es sich bei der Funktion um eine einfache Hyperbel, die sich asymptotisch Null nähert.
In einem Automobilwerk wird am Fließband die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten mit 100 Sekunden gemessen. Auf der Lünette lässt sich ablesen, dass im Werk pro Stunde 36 Autos diese Arbeitsschritte durchlaufen.
Abschließend ein Beispiel, um die Problematik der alten Daytona-Lünetten aufzuzeigen:
Bei einer Seilbahn mit Kabinen für jeweils 6 Personen wird der zeitliche Abstand zwischen 2 Kabinen mit 15 Sekunden gemessen. Die Lünette einer alten Daytona, beispielsweise mit der Referenz 6263/6265, zeigt bei 15 Sekunden aber keinen Wert an – der Messbereich befindet sich nicht auf der Lünette.
Rolex Cosmograph Daytona 6263
Dies liegt daran, dass die bis ca. 1990 gebauten Daytonas nur einen Messbereich zwischen 200 UPH (= 18 Sekunden) und 50 UPH besitzen – die Zahlen zwischen 60 und 50 UPH stehen dabei für 60 bis 75 Sekunden Messzeit. Dies war wohl ein Zugeständnis an den Gebrauch als Auto-Tachometer, der aber, wie bereits oben erwähnt, nicht sehr praxisnah ist. Daher wurde schließlich ab ca. 1990 die Daytona-Lünette entsprechend geändert, um dem Gebrauch der Lünette für z.B. Produktionsmessungen zu ermöglichen. Hier wird der Messbereich zwischen 400 und 200 UPH eher benötigt als der Bereich zwischen 60 und 50 UPH. Mit einer aktuellen Daytona lässt sich somit die Förderleistung der oben genannten Seilbahn problemlos messen: Bei 15 Sekunden Abstand der Kabinen zeigt die Lünette 240 Kabinen pro Stunde, umgerechnet sind das 240 x 6 (Personen/Kabine) = 1440 Personen/Stunde.
Bilder: ©Rolex/Jean-Daniel Meyer